Fischabstieg – Wenn Forellen stromabwärts schwimmen

Wenn keine Hindernisse in den Fliessgewässern vorhanden sind, dann können Forellen kürzere oder längere Wanderungen machen. Ein eindrückliches Beispiel ist sicherlich die Seeforellen-Laichwanderung stromaufwärts. Doch bevor eine Forelle stromaufwärts schwimmen kann, muss sie sich normalerweise zu Beginn ihres Lebens erst einmal stromabwärts bewegen. Wann passiert das? Wie viele der Jungforellen wandern ab? Kommt das auch bei Bachforellen vor?

 

Jugendliche Seeforellen

Sobald im Frühling die kleinen Forellen schlüpfen beginnen sie zu wachsen. In den Bächen sind sie normalerweise gut aufgehoben. Ein Teil der Jungforellen bleibt langfristig im kleinen Fliessgewässer. Ein anderer Teil macht sich irgendwann auf in grössere Gewässer, sei es ein Fluss oder ein See. Gerade bei Seeforellen ist die Wanderung sehr gut untersucht.


Die jungen Forellen der Vierwaldstätterseezuflüsse wurden mit kleinen Markern (PIT-Tagging) ausgestattet und die Abwanderung konnte danach beim Seeeinfluss mithilfe von zwei Antennen rund um die Uhr überwacht werden. (Quelle: Dermond & Brodersen, 2018)

Entscheidend ist für die Forelle grundsätzlich wie viel sie in ihrem Habitat wachsen kann und wie gross weiter die Gefahr ist dabei gefressen zu werden. Gerade im Frühling und Sommer bietet ein See sehr viel Wachstumspotential. Bei 10 Zuflüssen des Vierwaldstättersees wurde von der Eawag festgestellt, dass der Höchststand bei der Abwanderung im Frühjahr, konkret im April und Mai liegt. Der genaue Abwanderungshöhepunkt unterscheidet sich je nach Fliessgewässer. So wandern zum Beispiel Forellen aus frühlingswarmen Bächen früher ab.


Abwanderung von Fischen in ausgewählten Bächen mit hoher Wanderung. Die Grafik zeigt, bis zu welchem Zeitpunkt 100% aller wanderwilligen Fische die Antenne passiert haben, sowie die Sprünge in Zeiträumen mit hoher Abwanderung. Der Zeitpunkt der Wanderung unterscheidet sich je nach Gewässer. (Quelle: Dermond & Brodersen, 2018)

Generell wandern die meisten jugendlichen Seeforellen in ihrem zweiten Lebensjahr, im Schnitt etwa mit 15cm Länge, von ihrem Geburtsort in den See ab. Grössere Jungforellen steigen dabei früher ab als kleinere Artgenossen. Vermutlich ist für die kleinen Individuen die Gefahr im See gefressen zu werden zu gross. Die Auswanderungszahlen unterscheiden sich je nach Fliessgewässer und können unter 10%, aber auch bei über 50% der Jungforellen liegen. Entscheidend dafür sind zum einen genetische Komponenten, aber unter anderem auch die Umweltbedingungen im Fliessgewässer.


Eine Forelle welche im zweiten Lebensjahr markiert wurde (Bild links) und bald darauf in den See abstieg. Rund 2.5 Jahre später wurde dieselbe Forelle beim Aufstieg aus dem See wiedergefangen. Dies ist auch gut am Punktmuster auf und hinter dem Kopf zu erkennen. Für diese Forelle hat sich die risikoreiche Strategie ausgezahlt. Der Grössen- und Gewichtszuwachs ist deutlich sichtbar. (Bilder: Eawag)

 

Bachforellen aus kleinen Fliessgewässern

Bei Bachforellen ist weniger bekannt über die Abwanderung in grössere Fliessgewässer. Resultate aus Belgien zeigten allerdings bereits 1979, dass aus einem kleinen Fliessgewässer jedes Jahr natürlicherweise rund 470 Bachforellen abstiegen.

Bei Untersuchungen im Kanton Aargau wurde angeschaut, wie und ob Besatzfische in einem Aufzuchtgewässer abwandern.

 
Mit dem Netzkorb wurden abwandernde Fische im Schalchmatthaubächli erfasst.
(Quelle: Kreienbühl & Vonlanthen, 2017)

Dabei wurde festgestellt, dass innerhalb von zwei Jahren über 300 Bachforellen abwanderten. Bei Hochwassern konnten die Erhebungen mit einem Fangkorb zudem nicht gemacht werden. Es ist also anzunehmen, dass die effektive Anzahl der Absteiger noch höher liegt. Der überwiegende Teil (>85%) wanderten im zweiten Lebensjahr mit einer Grösse von 8-20 cm ab.


Histogramme der Längenverteilung (in mm) der gefangenen Forellen im Netzkorb des Schalchmatthaubächli aus den beiden Jahren 2015 und 2016. In rot ist die ungefähre Abgrenzung der Jahrgänge 0+ und 1+ eingezeichnet. 91.9% der Fische wurden zwischen April und Juni gefangen. (Quelle: Kreienbühl & Vonlanthen, 2017)

Die gängige Praxis, bei der Besatzforellen in Aufzuchtbächen bereits als Sömmerlinge wieder elektrisch abgefischt werden, ist also nicht passend zum natürlichen Verhaltensmuster. Die Bewirtschaftung natürlicher Gewässer wird wissenschaftlich nicht gestützt. Ein grosser Teil der abwandernden Fische in der Studie stammte aus Besatz. Existierende Studien zeigen, dass der Anteil der Besatzfische an der Population mit steigendem Alter abnimmt. Im schlussendlichen Fang machten die Besatzfische im vorliegenden Fall nur 10% aus. Da die Wanderung und auch die Naturverlaichung im kleinen Zufluss funktioniert wurde empfohlen den Besatz einzustellen und eine natürliche Bachforellenpopulation im kleinen Zufluss zu ermöglichen.

Eine ähnliche Untersuchung wurde ebenfalls im Kanton Basellandschaft durchgeführt. Die Resultate waren sind durchaus vergleichbar.


Die Abwanderung aus dem Fluebach im 2012 dargestellt von April bis September. Während 20 Tagen war der Netzkorb wegen Geschiebetrieb, Hochwasser und Ferien nicht in Betrieb. (Quelle: Zopfi, 2013)

In beiden Versuchsjahren wurden im untersuchten Bach über 1000 absteigende Brütlingseinheiten festgestellt (1164 & 1679) was jeweils deutlich mehr war als besetzt wurde (750 Brütlinge pro Jahr). Weiter wurde festgehalten, dass durch die Abfischungen zum einen teilweise Krebse und die Ufervegetation zu Schaden kam, zum anderen wilde adulte Laichtiere abgefischt wurden. Sowohl im Kanton Aargau, als auch im Kanton Basel-Landschaft führten die Untersuchungen dazu, dass mit dem Abfischen der Aufzuchtbäche gestoppt wurde.

Kleine Fliessgewässer können also durchaus eine wichtige Rolle spielen, zum einen für die natürliche Fortpflanzung, zum andern auch als Jungfischhabitat. Ein guter ökologischer Zustand und eine gewährleistete Fischgängigkeit ist wichtig für die Funktion der kleinen Fliessgewässer. Wo nötig müssen diese Bedingungen wiederhergestellt werden.

 

Links

https://www.eawag.ch/de/abteilung/fishec/projekte/schweizer-seeforellenprojekt/

Eawag Seeforellenprojekt

https://www.eawag.ch/de/abteilung/fishec/projekte/schweizer-seeforellenprojekt/

Bericht «Abwanderung von Forellen aus einem Seitengewässer» von ECQUA & Aquabios im Auftrag des Kantons Aargau

Bericht «Abwanderung von Bachforellen aus Seitengewässern ins Hauptgewässer» des Kantons Basel-Landschaft

FIBER Broschüre kleine Fliessgewässer

Fischgängigkeit

https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wasser/fachinformationen/massnahmen-zum-schutz-der-gewaesser/renaturierung-der-gewaesser/fischgaengigkeit.html