Der Hallwilersee in den Kantonen Aargau und Luzern war einst stark überdüngt und die ursprünglichen Felchenart starb aus. Zwar hat sich die Situation seit den 80ern stark verbessert, aber am Grund des Sees, wo sich die Eier der Felchen entwickeln, herrscht auch heute nach wie vor Sauerstoffmangel. Die Nutzung des Felchenbestands hängt deshalb noch sehr stark von Besatzmassnahmen ab. Im Folgenden einige Infos zur Ausgangslage und den Erkenntnissen aus dem intensiven Monitoring des Kantons Aargau.
Fischbesatz kann die Bestände üblicherweise dort erhöhen, wo die natürliche Fortpflanzung versagt. Im Hallwilersee stammen rund 90 % der Felchen im Fang aus Besatz. Aufgrund der ehemals starken Überdüngung hatte der See nicht mehr genug Sauerstoff und muss bis heute belüftet werden. Auch heute tritt im Bodensediment und unmittelbar darüber immer noch häufig Sauerstoffmangel auf. Dies wird durch den mikrobiellen Abbau des tierischen und pflanzlichen Materials am Grund und die natürliche Schichtung des Seewassers im Sommer und seltener auch im Winter verursacht. Die Felchen nutzen für ihre Fortpflanzung unterschiedliche Wassertiefen, vom Flachwasser bis in tiefere Bereiche. Die Eier sinken aber in jedem Fall auf den Bodengrund oder auf die darüber liegende Vegetation ab. Der Sauerstoffmangeln im Sediment und dicht darüber wirkt sich deshalb stark negativ auf die natürliche Fortpflanzung aus. Es wird erwartet, dass sich die Fortpflanzung mit der weiteren "Gesundung" des Sees in Zukunft verbessert, aber noch halten die Nachwirkungen des hohen Nährstoffeintrags an. Der Beitrag der Naturverlaichung von rund 10 % zur Felchenpopulation würde zwar wohl ausreichen für eine Erhaltung der Art im See, jedoch wäre keine intensive fischereiliche Nutzung möglich.
Durch den Besatz konnten die Fänge ab Ende der70er Jahre langsam wieder gesteigert werden. 2014 wurde der Besatzerfolg mittels der Markierung der Besatzfische mit Alizarinrot, ein Farbstoff welcher die Gehörknochen der Fische einfärbt, kontrolliert. Fische, die aus Besatz stammen, können anhand der eingefärbten Gehörknochen («Otholiten») identifiziert werden. Dabei wurde klar, dass mehr als 90% der Felchen aus dem Besatz stammten. Neben der Besatzerfolgskontrolle wurden bei weiteren Untersuchungen verschiedene Maschenweiten verglichen sowie das Alter und das Wachstum der Felchen bestimmt, um die Berufsfischerei möglichst optimal zu reglementieren. Bei den Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass das Wachstum der Felchen im Hallwilersee in den letzten Jahren abgenommen hat.
Für ein langsameres Wachstum können verschiedene Faktoren verantwortlich sein. Aus der Literatur ist bekannt, dass sowohl das Futterangebot, fischereiliche Auslese gegen schnell-wachsende Tiere und eine starke Konkurrenz innerhalb einer Art aufgrund einer hohen Populationsdichte für ein sinkendes Wachstum verantwortlich sein können. Möglicherweise kann auch der Klimawandel einen Einfluss auf die Konkurrenz innerhalb der Felchen ausüben. So ist es zum Beispiel möglich, dass die Grösse des Felchenlebensraums im See bei einer zunehmenden Erwärmung verkleinert wird und die Konkurrenz dadurch verstärkt wird.
Eine starke Auslese von schnellwachsenden Individuen in der Fischerei ist Untersuchungen der Universität Lausanne zufolge eher unwahrscheinlich, denn für den Besatz werden vor allem bei den Milchnern viele schnellwachsende 2+ Fische verwendet. Das Futterangebot scheint beim Hallwilersee nicht generell mangelhaft zu sein, da der See nach wie vor vergleichsweise nährstoffreich ist und die körperliche Kondition der Individuen über den Untersuchungszeitraum zwar schwankend, aber insgesamt stabil war. Der wahrscheinlichste Faktor scheint damit die hohe Dichte der Felchen zu sein. Im Jahr 2016 war der Laichfischfang zum Beispiel äusserst erfolgreich und es wurden 2017 so viele Felchen besetzt wie in den 90ern das letzte Mal. Die Jahrgansstärke war dadurch zwar sehr gut, aber das Wachstum der Felchen im ersten Jahr liess sehr zu wünschen übrig.
Anhand der Daten aus den Versuchsfängen konnte gezeigt werden, dass die Jahrgangsstärke bei den Felchen mit der Besatzmenge korreliert und zudem auch das Wachstum der Felchen stark von der Besatzmenge abhängt. Das heisst kurzgesagt, je mehr Besatz gemacht wurde, desto langsamer wuchsen die Felchen im See.
Bei steigender Besatzmenge nahm das Wachstum der Felchen beurteilt an der Totallänge der vierjährigen Fische ab. Der Effekt war bereits im ersten Lebensjahr sichtbar und bei 4-jährigen Felchen immer noch vorhanden. (Aquabios, 2022)
In der Saison 2022/2023 wurde durch die kantonalen Behörden nun zum ersten Mal eine maximale Besatzmenge basierend auf den Wachstumsdaten festgelegt. Es scheint, dass die durch den schlechten Laichfischfang zwangsweise geringen Besatzzahlen aus den letzten Jahren das Wachstum jedoch bereits positiv beeinflussen. Zumindest fiel der Laichfischfang bedeutend erfreulicher aus als noch im Vorjahr. Weitere Versuchsfänge werden in Zukunft zeigen, ob das Wachstum der Hallwilerseefelchen wieder zunimmt. Sollte eine direkte "Steuerung" des Wachstums im Hallwilersee über die Besatzmenge tatsächlich möglich sein, funktioniert dies wohl nur effektiv, solange der Anteil der Naturverlaichung verhältnismässig klein ist. Bei einem ansteigenden Beitrag durch die Naturverlaichung müsste der Besatz dann im Verhältnis dazu weiter reduziert werden.
Mehr Infos zum Zustand des Hallwilersee
Bericht im Auftrag des BAFU zum biologischen Zustand der Schweizer Seen
Quellen:
Aquabios 2022. Fischereibiologische Untersuchungen Hallwilersee – Felchenmonitoring bis 2021. Aqua-bios GmbH, Auftraggeber: Kanton Aargau, Abteilung Landschaft und Gewässer und Abteilung Gewässer und Wald, Sektion Jagd und Fischerei.
Wedekind, C., Vonlanthen, P., de Guttry, C., Stadelmann, R., Stadelmann, N., Pirat, A. et al. (2022) Persistent high hatchery recruitment despite advanced reoligotrophication and significant natural spawning in a whitefish. Global Ecology and Conservation, 38, e02219. https://doi.org/10.1016/j.gecco.2022.e02219