Lebensraumaufwertung oder Besatz – Was hat den grösseren Effekt auf den Fischbestand?

Die Ressourcen für die Bewirtschaftung von Gewässern sind meist begrenzt. Deshalb ist es entscheidend, die effektivsten Massnahmen zu priorisieren. Eine grossangelegte Studie, die kürzlich im renommierten Fachjournal «Science» publiziert wurde zeigt, dass Massnahmen, die auf die Verbesserung des Lebensraums abzielen, mehr bewirken können als Massnahmen, die sich auf einzelne Arten konzentrieren.

Lebensraumaufwertungen können Funktion von Ökoystemen verbessern

Nach der Veröffentlichung der Synthese der Wirkungskontrollen von Fischbesatzmassnahmen wird schweizweit viel über die Notwendigkeit von Besatzmassnahmen und ihre Alternativen diskutiert. Wissenschaftlich ist zweifelsfrei belegt, dass Besatz nicht zu höheren Fischdichten führt (Hühn et al. (2014) oder auch die Synthese der Wirkungskontrollen von Fischbesatzmassnahmen des BAFU). Ebenfalls wurde gezeigt, dass Lebensraumaufwertungen, die darauf abzielen, ökologische Prozesse, Lebensräume und das Zusammenspiel zwischen Arten zu verbessern dazu führen können, dass ein grösserer Anteil von Jungfischen überlebt (Lorenzen 2005). Es gibt bis anhin allerdings kaum Studien, die den Effekt von Besatz und Lebensraumaufwertungsmassnahmen direkt vergleichen. Das Team um Dr. Johannes Radinger hat deshalb in einer grossangelegten Studie untersucht, welche Effekte Lebensraumaufwertungen im Vergleich zu traditionellem Besatz auf den Fischbestand von Gewässern haben können.

 

Studie an 20 Baggerseen in Deutschland

Für die Studien wurden über 6 Jahre 20 verschiedene Baggerseen in Deutschland untersucht. Die Grösse der Seen lag zischen 1–20 Hektaren. Für 8 Seen wurden keine Massnahmen ergriffen; sie dienten als «Kontrollgewässer». An den übrigen Seen wurde der Effekt von drei Typen von Massnahmen dokumentiert: Fischbesatz in vier der Seen (wobei jeweils fünf verschiedene Arten besetzt wurden), das Einbringen von Holzstrukturen in acht Seen und die Schaffung flacher Uferzonen in vier der acht Seen, in denen auch Holzstrukturen eingebracht wurden. Besetzt wurden Hecht, Rotauge, Schleie, Brachsmen und Zander in verschiedenen Grössenklassen (entsprechend einer natürlichen Altersstruktur) und typischen Dichten, wie sie Angelvereine in Deutschland oft besetzen (~97 kg/ha/Jahr). Die Holzstrukturen bestanden aus Holzbündeln von ~3 m Länge, wovon ungefähr 100 in jedem der acht Seen ausgebracht wurden. Flache Uferzonen wurden durch Abtrag von Material aus der Uferzone geschaffen, sodass Flachwasserzonen mit 35–140 cm Tiefe entstanden, die zwischen ~1–10% der Fläche eines Sees umfassten. Die 20 untersuchten Seen wurden während der Zeit der Studie wie im Zeitraum zuvor von Anglern und Anglerinnen befischt.

Um den Einfluss der drei Massnahmen auf den Fischbestand zu bewerten, wurden die Seen jeweils vor, während und nach der Umsetzung der Massnahmen mittels Netz- und Elektrofischerei beprobt und überwacht.

 

Resultate der Studie, getrennt nach den drei umgesetzten Massnahmen. Die farbigen Punkte zeigen die eigentlichen Resultate (grün für geschaffene Uferzonen, orange für Holzstrukturen und blau für Besatz). Die schwarzen Punkte zeigen die Resultate der Kontrollseen, deshalb sind die schwarzen Punkte in allen drei Grafiken jeweils an der gleichen Stelle. Betrachtet man die Resultate der Massnahmen (farbige Punkte), hat nur die Schaffung von flachen Uferzonen einen positiven Effekt. Dieser ist aber deutlich. Grafik angepasst von Radinger et al. 2023.

 

Lebensraumaufwertungen sind zur Förderung der Fischbestände effektiver als Besatz

Die Resultate der Studie sprechen eine klare Sprache: In den Seen, in denen Fischbesatz durchgeführt wurde, wurde keine signifikante Erhöhung der Fischbestände festgestellt. Im Vergleich mit den Kontrollseen ohne Massnahmen hat der Fangertrag aus Kiemennetzen sogar abgenommen. Die Resultate der Studie zeigen demnach, dass Fischbesatz in diesem Kontext ineffektiv war und im schlimmsten Fall sogar negative Effekte haben könnte.

Das Einbringen von Holzstrukturen allein führte ebenfalls nicht zu einer Erhöhung der Fischbestände. Die Holzstrukturen hatten jedoch unterschiedliche Effekte zwischen verschiedenen Fischarten und Seen. Während sich die Bestände einiger Fischarten (zum Beispiel die Barschbestände) mit dem Einbringen von Holzstrukturen nicht vergrösserten, sank die Dichte anderer Fische wie dem Rotauge in einigen Seen. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die bessere Deckung durch die Holzstrukturen den Barschen die Jagd auf Rotaugen erleichtert.

Die Schaffung flacher Uferzonen erwies sich als die effektivste Methode zur Erhöhung der Fischbestände. Die Gesamtfischdichte in den Seen, gemessen als Fangertrag pro Aufwand (CPUE), stieg nach der Schaffung von flachen Uferzonen deutlich an. Insbesondere Jungfische profitierten von dieser Maßnahme, was auf eine verbesserte Reproduktion hindeutet.

Die Studie bietet mit ihren Resultaten einen Einblick in die Effektivität verschiedener Massnahmen zur Förderung der Fischbestände eines Gewässers. Sie zeigen, dass die strategische Aufwertung von Lebensräumen (über das Einbringen von einzelnen Strukturen hinaus) zur Förderung der Fischerei einen wesentlich grösseren Beitrag leisten kann als Fischbesatz. Solche Ansätze bieten nachhaltigere und effektivere Lösungen für die Fischerei- und Naturschutzpraxis und ermöglichen somit, die Nutzung der im Fischereimanagement oft limitierten Ressourcen effizienter zu gestalten.

 

Originalstudie:

Radinger J, Matern S, Klefoth T, Wolter C, Feldhege F, Monk CT, Arlinghaus R (2023). Ecosystem-based management outperforms species-focused stocking for enhancing fish populations. Science, (2023), doi: 10.1126/science.adf0895.

 

Literatur

Hühn D, Lübke K, Skov C, Arlinghaus R (2014). Natural recruitment, density-dependent juvenile survival, and the potential for additive effects of stock enhancement: an experimental evaluation of stocking northern pike (Esox lucius) fry. Can. J. Fish. Aquat. Sci., doi:10.1139/cjfas-2013-0636.

Lorenzen K (2005). Population dynamics and potential of fisheries stock enhancement: practical theory for assessment and policy analysis. Philos. Trans. R. Soc. London B Biol. Sci., doi:10.1098/rstb.2004.1570