Die Belastung der Glatt durch Spurenstoffe nimmt ab

Der Ausbau der ARA Oberglatt in Flawil mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe gegen Mikroverunreinigungen wirkt. Das zeigen erste, kürzlich im Rahmen des Eawag-Peak-Kurses «Biologische Effekte von Spurenstoffen unterhalb von Kläranlagen» vorgestellte Resultate. Erhoben wurden die Daten in gemeinsamen Untersuchungen vom Kanton St. Gallen, dem Wasserforschungsinstitut Eawag und dem ehemaligen Eawag Spin-off Aquatox-Solutions. Es ist insbesondere bemerkenswert, dass kein Unterschied mehr festgestellt werden kann zwischen hormonaktiven Wirkungen von Stoffen ober- und unterhalb der Rückgabe des gereinigten Abwassers in der Glatt.


Hohe Erwartungen erfüllt

Die Erwartungen an die technologische Aufrüstung der ARA waren gross. Rund 20 Millionen Franken kostet die Erweiterung, und die Bauarbeiten dauerten über zwei Jahre. Der Ausbau umfasste einerseits die Erweiterung der biologischen Reinigungsstufe (Biofiltration) und andererseits den Neubau einer Stufe zur Entfernung von Mikroverunreinigungen (EMV).
Die biologische Reinigungsstufe musste erweitert werden, da sie ihre Kapazitätsgrenze erreicht hatte. Aufgrund des hohen Anteils des gereinigten Abwassers im Gewässer und der damit verbundenen hohen Belastung der Glatt musste zudem eine EMV-Stufe erstellt werden. Dies wird seit 2016 auch von der eidgenössischen Gewässerschutzgesetzgebung verlangt. Das gesetzlich vorgeschriebene Ziel ist die Reduktion von 80 Prozent aller Mikroverunreinigungen.
 

Aktivkohle in Herisau und nun in Flawil

Unter dem Begriff Mikroverunreinigungen oder Spurenstoffe wird eine Vielzahl von Substanzen zusammengefasst, zum Beispiel Medikamente, Pflanzenschutzmittel, Lebensmittelzusätze, Inhaltsstoffe von Kosmetika oder Reinigungsmitteln. Viele dieser Stoffe gelangen über das häusliche und das industrielle Abwasser in die ARAs und werden, wenn sie nicht mit einer EMV-Stufe gereinigt werden, in Flüsse und Bäche eingeleitet. Dort beeinflussen sie die Gewässerökologie und können Wasserlebewesen gefährden. Mikroverunreinigungen wirken sich nicht nur negativ auf die Gewässerqualität aus, sie finden sich auch im Grundwasser wieder, das in der Schweiz die wichtigste Trinkwasserressource darstellt.

Risiko durch Medikamentenrückstände zurückgegangen

Verschiedene Untersuchungen vor und nach der Inbetriebnahme der EMV-Stufe in Flawil durch das Amt für Wasser und Energie (AWE) des Kantons St. Gallen und durch die Eawag, das Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs, zeigen bei der Qualität des Wassers, das nach der Reinigung in die Glatt geleitet wird, eine positive Entwicklung, dies sowohl bei den chemischen wie bei biologischen Auswirkungen. Das Risiko für Gewässerorganismen durch den Wirkstoff Diclofenac, der zum Beispiel im Schmerzmittel Voltaren enthalten ist, hat sich im Vergleich mit 2020 halbiert. Untersuchungen an Bachforellen zeigen eine Reduktion von Stressfaktoren nach Inbetriebnahme der EMV-Stufe.

 

Mehr erfahren

Projekt EcoImpact 2.0: Wirkung der weitergehenden Abwasserreinigung auf die Toleranz des Biofilms auf der Flusssohle gegenüber Mikroverunreinigungen

Projektseite Erweiterung ARA Oberglatt

Amt für Wasser und Energie Kanton SG

Faktenblatt Glatt: Gewässerüberwachung – Fliessgewässer

https://aquatox-solutions.ch/de/start/

aQuaTox-Solutions Gmb

BAFU Publiaktion Elimination von organischen Spurenstoffen

 

Dieser Text basiert auf der Medieninformation vom 24.11.2022 der Glattkommission (als Zusammenschluss der Gewässerschutzfachstellen der Kantone SG und AR, Glattgemeinden, Vertreter:Innen von Industrie, Landwirtschaft, BAFU und weiteren Experten)
Erstellt von Andri Bryner und angepasst durch die FIBER

Fischabstieg – Wenn Forellen stromabwärts schwimmen

Wenn keine Hindernisse in den Fliessgewässern vorhanden sind, dann können Forellen kürzere oder längere Wanderungen machen. Ein eindrückliches Beispiel ist sicherlich die Seeforellen-Laichwanderung stromaufwärts. Doch bevor eine Forelle stromaufwärts schwimmen kann, muss sie sich normalerweise zu Beginn ihres Lebens erst einmal stromabwärts bewegen. Wann passiert das? Wie viele der Jungforellen wandern ab? Kommt das auch bei Bachforellen vor?

 

Jugendliche Seeforellen

Sobald im Frühling die kleinen Forellen schlüpfen beginnen sie zu wachsen. In den Bächen sind sie normalerweise gut aufgehoben. Ein Teil der Jungforellen bleibt langfristig im kleinen Fliessgewässer. Ein anderer Teil macht sich irgendwann auf in grössere Gewässer, sei es ein Fluss oder ein See. Gerade bei Seeforellen ist die Wanderung sehr gut untersucht.

Die jungen Forellen der Vierwaldstätterseezuflüsse wurden mit kleinen Markern ausgestattet und die Abwanderung konnte danach beim Seeeinfluss mithilfe von zwei Antennen rund um die Uhr überwacht werden. (Quelle: Dermond & Brodersen, 2018)

Generell wandern die meisten jugendlichen Seeforellen in ihrem zweiten Lebensjahr, im Schnitt etwa mit 15cm Länge, von ihrem Geburtsort in den See ab. Grössere Jungforellen steigen dabei früher ab als kleinere Artgenossen. Vermutlich ist für die kleinen Individuen die Gefahr im See gefressen zu werden zu gross. Die Auswanderungszahlen unterscheiden sich je nach Fliessgewässer und können unter 10%, aber auch bei über 50% der Jungforellen liegen. Entscheidend dafür sind zum einen genetische Komponenten, aber unter anderem auch die Umweltbedingungen im Fliessgewässer.

 
Eine Forelle welche im zweiten Lebensjahr markiert wurde (Bild links) und bald darauf in den See abstieg. Rund 2.5 Jahre später wurde dieselbe Forelle beim Aufstieg aus dem See wiedergefangen. Dies ist auch gut am Punktmuster auf und hinter dem Kopf zu erkennen. Für diese Forelle hat sich die risikoreiche Strategie ausgezahlt. Der Grössen- und Gewichtszuwachs ist deutlich sichtbar. (Bilder: Eawag)

Bachforellen aus kleinen Fliessgewässern

Bei Bachforellen ist weniger bekannt über die Abwanderung in grössere Fliessgewässer. Resultate aus Belgien zeigten allerdings bereits 1979, dass aus einem kleinen Fliessgewässer jedes Jahr natürlicherweise rund 470 Bachforellen abstiegen.

Bei Untersuchungen im Kanton Aargau wurde angeschaut, wie und ob Besatzfische in einem Aufzuchtgewässer abwandern.


Mit dem Netzkorb wurden abwandernde Fische im Schalchmatthaubächli erfasst. (Quelle: Kreienbühl & Vonlanthen, 2017)

Dabei wurde festgestellt, dass innerhalb von zwei Jahren über 300 Bachforellen abwanderten. Bei Hochwassern konnten die Erhebungen mit einem Fangkorb zudem nicht gemacht werden. Es ist also anzunehmen, dass die effektive Anzahl der Absteiger noch höher liegt. Der überwiegende Teil (>85%) wanderten im zweiten Lebensjahr mit einer Grösse von 8-20 cm ab.

Histogramme der Längenverteilung (in mm) der gefangenen Forellen im Netzkorb des Schalchmatthaubächli aus den beiden Jahren 2015 und 2016. In rot ist die ungefähre Abgrenzung der Jahrgänge 0+ und 1+ eingezeichnet. 91.9% der Fische wurden zwischen April und Juni gefangen. (Quelle: Kreienbühl & Vonlanthen, 2017)

Die gängige Praxis, bei der Besatzforellen in Aufzuchtbächen bereits als Sömmerlinge wieder elektrisch abgefischt werden, ist also nicht passend zum natürlichen Verhaltensmuster. Ein grosser Teil der abwandernden Fische in der Studie stammte aus Besatz. Im schlussendlichen Fang machen die Besatzfische allerdings nur 10% aus. Da die Wanderung und auch die Naturverlaichung im kleinen Zufluss funktioniert wurde empfohlen den Besatz einzustellen und eine natürliche Bachforellenpopulation im kleinen Zufluss zu ermöglichen.

Eine ähnliche Untersuchung wurde ebenfalls im Kanton Basellandschaft durchgeführt. Die Resultate waren sind durchaus vergleichbar. In beiden Versuchsjahren wurden im untersuchten Bach über 1000 absteigende Brütlingseinheiten festgestellt (1164 & 1679) was jeweils deutlich mehr war als besetzt wurde (750 Brütlinge pro Jahr).

MonatArtBrütlings-
Einheit
AprilBachforelle61
MaiBachforelle333
JuniBachforelle257
JuliBachforelle189
AugustBachforelle127
SeptemberBachforelle197
1'164

Die Abwanderung aus dem Fluebach im 2012 dargestellt von April bis September. Während 20 Tagen war der Netzkorb wegen Geschiebetrieb, Hochwasser und Ferien nicht in Betrieb.

Kleine Fliessgewässer können also durchaus eine wichtige Rolle spielen, zum einen für die natürliche Fortpflanzung, zum andern auch als Jungfischhabitat. Ein guter ökologischer Zustand und eine gewährleistete Fischgängigkeit ist wichtig für die Funktion der kleinen Fliessgewässer. Wo nötig müssen diese Bedingungen wiederhergestellt werden

Links

Eawag Seeforellenprojekt

Bericht «Seeforellenwanderung im Vierwaldstättersee und seinen Zuflüsssen»
Link zum PDF

FIBER Broschüre kleine Fliessgewässer

Fischgängigkeit ...