Weichplastiköder sind in der Angelfischerei weit verbreitet. Da sie häufig nah am Grund gefischt werden, sind Abrisse und Verluste häufig. Obwohl vermutlich viele Weichplastikköder auf dem Grund unserer Seen und Flüsse liegen, ist nur wenig über ihre schädliche Wirkung auf die Umwelt bekannt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie hat mittels chemischer und toxikologischer Analysen verbreitete Weichplastik Köder untersucht.
Plastikabfall und der damit verbundene Austritt von Zusatzstoffen wie Lösungsmittel und Weichmacher nehmen weltweit zu. Viele aktive Fischer verwenden Weichplastikköder. Weichplastikköder werden folglich häufig gekauft, gefischt und auch verloren. Eine Befragung von 191 Fischerinnen und Fischern aus Deutschland im Rahmen der Studie ergab, dass pro Angeltag im Durchschnitt 0.8 Weichplastikköder durch Abriss und Hänger verloren gehen. Wird an einem Gewässer also häufig geangelt, werden auch viele Weichplastikköder verloren, welche im Gewässer verbleiben
Verschiedene häufig eingesetzte Gummiköder unterschiedlicher Hersteller, welche in der Studie untersucht wurden. Die mit einem Stern markierten Ködern wurden zusätzlich darauf untersucht, ob die daraus austretenden Stoffe das Hormonsystem beeinflussen.
Phthalate – Ein umstrittener Weichmacher
Um ein möglichst beweglich zu sein und ein gutes Köderspiel zu gewährleisten, enthalten Weichplastikköder oft Weichmacher und andere nur schwer abbaubare Zusatzstoffe. Diese können in die Gewässer gelangen und von Wasserlebewesen aufgenommen werden. Das Autorenteam um Dr. Wolf-Christian Lewin hat 16 verschiedene Weichplastiköder (siehe Abbildung) darauf untersucht, welche chemischen Stoffe über einen Zeitraum von ungefähr zwei Monaten austreten und welche Wirkung diese austretenden Stoffe haben können. Dafür wurden einerseits chemische Analysen durchgeführt, um zu dokumentieren, welche Stoffe über einen Zeitraum von 61 Tagen aus im Wasser verbleibenden Weichplastikködern austreten. Dafür wurde die Rate, mit welcher die gängigen Weichmacher ins Wasser austreten, untersucht. Dabei handelt es sich ausschliesslich um Phthalate.
Phthalate sind eine Gruppe von chemischen Verbindungen, die hauptsächlich als Weichmacher in Kunststoffen verwendet werden, um deren Flexibilität, Transparenz, Haltbarkeit und Langlebigkeit zu erhöhen. Sie finden sich in vielen Alltagsprodukten, darunter weich Kunststoffe, Kosmetika und Pflegeprodukte, Lebensmittelverpackungen und Baumaterialien. Phthalate sind aufgrund der häufigen Verwendung in Alltagsprodukten und ihrer potenziellen gesundheitlichen Auswirkungen umstritten. Einige Phthalate werden verdächtigt, das Hormonsystem des Körpers zu stören (siehe zum Beispiel das Factsheet zu Phthalaten des Bundesamts für Gesundheit). Dies kann zu verschiedenen gesundheitlichen Problemen führen, wie Entwicklungs-, Fortpflanzungs- und Stoffwechselstörungen sowie möglicherweise auch Krebs. Bei Fischlarven können Phthalate beispielsweise Entwicklungsstörungen verursachen und die Ausbildung des Herzens beeinträchtigen (Sun & Liu 2021). Aufgrund der möglichen gesundheitlichen Risiken sind viele Phthalate reguliert oder verboten, insbesondere in Produkten, die für Kinder bestimmt sind.
Konstantes Herauslösen von schädlichen Weichmachern
Die Resultate zeigen: 10 der 16 ausgewählten Köder setzen die untersuchten Weichmacher, alles sogenannte Phthalate, frei. Phthalate sind in den Weichplastikködern nicht chemisch gebunden und können deshalb in die Umgebung austreten. Die Geschwindigkeit und Menge, die abgegeben wird, hängt davon ab, wo sich die Phthalate im Köder befinden (innerhalb oder auf der Oberfläche) und wie schnell sich der Köder im Wasser auflöst, bzw. abgebaut wird. Ausserdem traten weitere 45 giftige, zum Teil unbekannte Stoffe aus den Weichplastikködern aus. Aus einem der untersuchten Köder löste sich ausserdem ein unbekannter Zusatzstoff mit sogenannten endokrin aktiven Eigenschaften. Darunter werden Chemikalien verstanden, die die natürliche Wirkweise von Hormonen stören und dadurch schädliche Effekte haben. Diese Stoffe können somit langfristige Auswirkungen auf die Fortpflanzung und das Erbgut bei verschiedenen Lebewesen haben, auch bei Menschen.
Eine klare Deklaration der Inhaltsstoffe ist wünschenswert
Die Studie zeigt: Weichplastikköder sind aufgrund ihrer Inhaltsstoffe eine mögliche Quelle für chemische Verschmutzung unserer Gewässer und tragen zudem Mikroplastik ein. Die enthaltenen Weichmacher bergen gesundheitliche Risiken, sowohl für Menschen als auch für Fische und andere Wasserlebewesen. Die grosse Zahl an unbekannten Zusatzstoffen machen weitere Untersuchungen nötig, die spezifisch deren Giftigkeit und den möglichen Effekt auf die Umwelt überprüfen.
Die Umfrage der Studienautoren kommt zum Schluss, dass ein grosser Teil der Fischerinnen und Fischer bereit wäre, für Köder ohne bedenkliche Inhaltsstoffe mehr zu bezahlen. Ausserdem befürworteten viele Teilnehmer gesetzliche Bestimmungen, die den Einsatz von Weichmachern regulieren. Es bleibt zu hoffen, dass in Zukunft mehr Zeit und Ressourcen in die Entwicklung biologisch abbaubarer Kunststoffe investiert werden, insbesondere in der Angelindustrie.
Literatur:
W.-C. Lewin, R. Sühring, E. Fries, et al. (2023). Soft plastic fishing lures as a potential source of chemical pollution - Chemical analyses, toxicological relevance, and anglers’ perspectives, Science of the Total Environment, https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2024.173884
G. Sun, K. Liu (2021). Developmental toxicity and cardiac effects of butyl benzyl phthalate in zebrafish embryos, Aquatic Toxicology, https://doi.org/10.1016/j.aquatox.2017.09.020