Durch die Linse betrachtet

Die Hasliaare und ihre Zuflüsse im Berner Oberland gelten als wertvolles Laichgebiet für migrierende Forellen aus dem Brienzersee. Gewässerökologen der KWO (Kraftwerke Oberhasli AG) beobachten die Laichwanderungen von Seeforellen in diesem Flusssystem seit 2018 mittels Unterwasserkamerasystem und Fischwiderstandszähler. Die kürzlich erschienene Masterarbeit von Kristof Reuther fasst neue Erkenntnisse aus der Laichsaison 2020/21 zusammen und zeigt auf, inwiefern die Wanderbewegungen der Seeforellen durch ein Zusammenspiel von physikalischen Umweltfaktoren und Abflussbedingungen beeinflusst werden.

Unterwasserkamerasysteme bieten eine moderne und vielseitige Monitoring-Technik zur Beobachtung von Fischwanderungen, ohne dass die Fische gefangen oder markiert werden müssen. Unterwasserkamerasysteme werden in der Schweiz zunehmend eingesetzt von Forscher:innen und Ökobüros, beispielsweise für Erfolgskontrollen von Fischaufstiegshilfen. Auch Fischereivereinigungen erkennen das Potential dieser Technik, so plant beispielsweise die Fischereipachtvereinigung Bern einen Kamera-Einsatz in einem Seitenbach der Sense. Dieser soll unter anderem die Möglichkeiten und Limitationen bei der Untersuchung von Wanderbewegungen der residenten Forellen aufzeigen.

Mehrere Parameter, darunter Abflussmengen, Wassertemperatur, Lichtintensität und Luftdruck, wurden im Hinblick auf ihren Einfluss auf die Fischwanderung flussauf- und -abwärts statistisch analysiert. Darüber hinaus wurde der Wanderkorridor zwischen zwei Fischzählern im Hinblick auf reduzierte Abflussmengen und Wassertiefen in einer Restwasserstrecke analysiert. Dabei hat sich unter anderem gezeigt, dass die Wassertiefe während dieser Laichzeit kein limitierender Faktor war. Des weiteren legten die Daten nahe, dass die Wassertemperatur der Hauptfaktor für die flussaufwärts gerichtete Wanderung ist, während der Abfluss den größten Teil der flussabwärts gerichteten Bewegungen erklärt.

Insgesamt 129 Individuen, die anhand ihres Punktmusters individuell unterschieden werden konnten, erlaubten zudem weiterführende Rückschlüsse auf ihr Wanderverhalten. Der Autor analysierte nebst dem Auslöser und Timing der Migration auch die Aufenthaltsdauer der Seeforellen sowie deren Schwimmgeschwindigkeiten in der untersuchten Strecke. In Übereinstimmung mit anderen Studien kamen die größten Seeforellen als erste im Laichgebiet an, gefolgt von kleineren Exemplaren gegen Ende des Beobachtungszeitraums. Die meisten Wanderungen flussaufwärts wurden im Oktober dokumentiert, worauf sich der November als Hauptlaichzeit abzeichnete. Die Wanderung selbst fand überwiegend in der Dunkelheit statt. Das Geschlechterverhältnis stellte sich mit 67 zu 33 % deutlich auf die Seite der Weibchen, jedoch blieben die Männchen weitaus länger im Flusssystem als die Weibchen. Die Schwimmgeschwindigkeiten zeigten keinen Trend hinsichtlich der Fischgröße oder des Geschlechts. Die Seeforellen nutzten ein Spektrum von 2-5 m3/s für ihre Wanderbewegungen, welches sich mit den vorherrschenden Abflüssen deckt. Die Wanderung fand im Übergang der höheren Sommerabflüsse und den niedrigen Winterabflüssen statt.

Die vielseitigen Ergebnisse machen deutlich, dass kamerabasierte Systeme ein quantitatives und zugleich schonendes Monitoring von wandernden Fischen in offenen Flussabschnitten ermöglichen. Die Erkenntnisse aus dieser Studie können möglicherweise dazu beitragen, geeignete Bedingungen in den Wanderkorridoren von Seeforellen zu schaffen.

Kristof Reuther, der Autor der Masterarbeit, hält am 23. Juni einen öffentlichen Vortrag zu seinen Erkenntnissen aus der Hasliaare. Mehr Infos dazu hier.

Die Arbeit kann unter folgendem Link eingesehen werden (Research gate).

Ein Video über die Impressionen aus den Feldarbeiten findet sich hier (Vimeo).