Einbruch der Felchenbestände
Die Situation der Bodenseefelchen ist besorgniserregend. Der Felchenertrag am Bodensee lag 2022 bei 21 Tonnen, dies entspricht einem Einbruch um über 80% im Vergleich zum Vorjahr. Neben dem dramatischen Fangrückgang gibt es weitere Hinweise, dass es den drei Felchenarten des Bodensees schlecht geht: Es fehlen nachwachsende Jahrgänge und auch die Nahrungsgrundlagen haben sich verschlechtert. Die Ursache dafür sind gemäss der IBKF invasive, gebietsfremde Arten wie die Quaggamuschel, der Einfluss des Stichlings, die wachsende Kormoranpopulation und der Klimawandel.
Blaufelchen (Coregonus wartmanni) aus dem Bodensee. Der im Freiwasser lebende Blaufelchen ist für die Berufsfischerei die wichtigste der drei Felchenarten des Bodensees. Bild: Oliver Selz, Eawag.
Drastische Massnahmen
Um auf den Einbruch des Felchenbestands zu reagieren und auch in Zukunft eine nachhaltige Fischerei zu ermöglichen hat die IBKF deshalb Ende Juni ein Massnahmenpaket beschlossen. Dies umfasst eine komplette Schonung der Bodenseefelchen für drei Jahre ab dem 1. Januar 2024. Ausserdem wird der Besatz angepasst: Nächsten Frühling sollen die Felchenbrütlinge länger vorgezogen werden, damit grössere Jungfische besetzt werden können. Zusätzlich wird überprüft, ob es möglich ist, die Stichlingsbestände im Freiwasser einzudämmen und ob der Stichling von der Berufsfischerei in irgendeiner Form genutzt werden kann. Die Wirkung dieser drei Massnahmen soll in regelmässigen Abständen überprüft werden, so dass diese im Bedarfsfall angepasst werden können.
Frisch geschlüpfte Felchenlarven. Im Bodensee werden sie in Zukunft vorgezogen, um grössere Jungfische besetzen zu können. Bild: Michel Roggo.
Äschenmoratorium als Beispiel
Ähnliche Massnahmen gab es in der Vergangenheit bereits, allerdings betrafen sie bisher nie die Schweizer Seenfischerei. Dass das Aussetzen der Fischerei einen positiven Effekt haben kann, hat das Äschenmoratorium in der Aare des Kantons Bern in den Jahren 2008-2010 gezeigt. Das Äschenmoratorium hatte zur Folge, dass sich die Äschenbestände in den meisten der geschonten Strecken wieder erholten. Insbesondere Die Laichtierbestände hatte in dieser Zeit wieder deutlich zugenommen. Um die Fischerei nach dem Ende des Moratoriums nachhaltiger zu gestalten, wurden die Fischereivorschriften angepasst. So wurde das Fangmindestmass erhöht und die Fangzahlen reduziert.
Wie weiter?
Der beschlossene Massnahmenkatalog der IBKF für den Bodensee, insbesondere das komplette Verbot der Felchenfischerei über die nächsten drei Jahre, klingt drastisch. Ob die Beschlüsse den Rückgang des Felchenbestands am Bodensee aufhalten oder gar umkehren können, wird die Zukunft zeigen.
Es ist zu vermuten, dass der der Erfolg der Felchenschonung im Bodensee unter anderem davon abhängen wird, in welchem Ausmass der Befischungsdruck durch Netz- und Angelfischerei für die Bestandsrückgange verantwortlich ist. Ist der Felchenbestand eingebrochen, da die Bestände über die letzten Jahre zu intensiv befischt oder gar überfischt wurden, werden die Massnahmen sicherlich ihre Wirkung zeigen. Sollten allerdings andere Faktoren wie Quagga, Stichling oder Klimawandel hauptverantwortlich für den Ertragsrückgang sein, wird der Effekt der Schonung auf den Felchenbestand voraussichtlich überschaubar sein. Wichtig ist zu betonen, dass auch im Erfolgsfall die Fischereipraxis und -vorschriften unbedingt anzupassen sind, um eine nachhaltige Fischerei zu gewährleisten und ähnliche Eingriffe in der Zukunft vermeiden zu können.